ERSTES VATIKANISCHES KONZIL

Am 8. Dezember 1869 kamen in Rom auf Geheiss des Papstes Pius IX. 700 Bischöfe zusammen. Ziel des Treffens war es, die bestehenden Machtverhältnisse und die Position des Papsten als Vikar Christi zu stärken. Auch wenn Pius IX. sein Ziel erreichte — für die katholische Kirche war das Ergebnis fatal.

Die berühmte Rede, welche der gelehrte Bischof Stroßmayer gehalten hatte und welche sodann zu Florenz 1871 erstmals unter dem Titel „Der Papst und das Evangelium“ (Papa e Evangelo) herausgegeben wurde, übertrifft an Offenheit und Klarheit alles, was bis heute aus den Verhandlungen jenes Konzils bekannt wurde. Der Umstand, daß die Rede vor den versammelten Kardinälen, Erzbischöfen, Bischöfen, und Prälaten, ja sogar in Anwesenheit und unter dem Vorsitze des Papstes Pius IX. von einem kroatischen Bischof im besten Latein gehalten wurde, macht sie nur noch bedeutungsvoller. Trotzdem ist sie noch immer in weiteren Kreisen fast unbekannt. Man weiß im allgemeinen, daß die Protestrede von vielen aufrichtigen Freunden der Kirche aufs höchste gelobt wurde, während freilich zahlreiche ultramontane Bischöfe darüber sehr aufgebracht waren, weil sie die Wahrheit nicht vertragen konnten.

PRÄMISSE

Der Loyalität wegen lasse ich als Kompiler diese wenigen Worte vorangehen: Die hier auf die folgenden Seiten gehaltene Rede von Bischof Josef Strossmayer ist höchstwahrscheinlich eine Fälschung, die einem ehemaligen mexikanischen Mönch namens José Augustin de Escudéro zugeschrieben wird, der später Protestant wurde. Über diesen geschickten Fälscher und seine wahren Motivationen, die ihn dazu führten, sich in dieser Sache einzumischen, sind manche umstrittene Ereignisse bekannt, von denen ich einige teilweise im Web überprüfen konnte. Ich werde aber nicht näher auf diese Fakten eingehen, da eine tiefgreifende Analyse und relative persönliche Stellungnahme hier nicht am Platze ist.

Manches Referenzenmaterial bezogen auf Bischof Strossmayers Rede innerhalb katholisch orientierter Publikationen, wie lokaler Diözesanblätter, Zeitungsartikel, Bücher, Essays und Doktorarbeiten sind leicht im Internet zu finden. Dieser Zugriff wird es jedermann ermöglichen, deren Aussagen einer persönlichen
Prüfung und Bewertung zu unterziehen.

Bekanntlich war Bischof Stroßmayer auf dem römischen Konzil ein heftiger Gegner des Dogmas von der Unfehlbarkeit des Papstes. Die Ansichten dieses Kirchenfürsten machten damals ungeheueres Aufsehen, besonders im Kreise des Jesuitenkollegiums, das zur Wahl in der Kirchenversammlung zusammengekommen war.

Ein Augenzeuge berichtet
Der Professor der Theologie, Dr. Johann Friedrich (1836-1917), der während des Konzils in Rom anwesend war und Gelegenheit hatte, die Vorgänge dort scharf zu beobachten, hatte 1871 ein Buch herausgegeben unter dem Titel “Tagebuch während des Vatikanischen Konzils”, in welchem er seine dortigen Erlebnisse und Wahrnehmungen wahrhaftsgetreu und offen schilderte. Man findet in diesem Tagebuch Friedrichs nun folgenden interessanten Bericht über eine Konzilsitzung, in der Strossmayer als Redner auftrat: «Den Höhepunkt des Tumults aber bot jene Sitzung vom 22. März, in welcher die bekannte Szene gegen Strossmayer stattfand, weil dieser die Protestanten gegen den Ausdruck Pestis in Schutz nahm. Dreimal wehrte er sich mit erhobenen Händen gegen die Gewalttat, durch die man ihn unterbrach: dann übertönte das Beifallklatschen seiner Anhänger und der Zornesausbruch seiner Gegner jedes Wort. Nur eine Stimme drang durch, es war diejenige, die dem kühnen Bischof den “Fluch” entgegenwarf: “Nos omnes te damnamus” (Wir alle verdammen dich). In allen Mienen war die Leidenschaft entfesselt, man sah geballte Fäuste, und die Leute, die draussen vor der Pforte standen, glaubten wahrhaftig Garibaldi sei in Rom». Auszug aus Kremser Wochenblatt, 23. März 1872.

Obwohl Historiker und Gelehrte, die sich mit diesem diskursiven Phänomen des Bischofs im Konzil befasst haben und bis jetzt keine endgültige klare Antwort zu geben vermochten, bleibt die Frage demnach offen, was an der ganzen Sache wirklich wahr oder nicht wahr sei. Andererseits, kann niemand es leugnen, dass die elementaren Geschichtsereignisse, die Strossmayer in der gehaltenen Rede kraftvoll zum Vorstoss gebracht hat, sind durchaus Perlen zugunsten der Wahrheit! Offensichtlich, ist jedem Leser zugestattet, nach erfolgter Lektüre darüber, seine eigene Meinung zu haben.

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© Pierluigi Luisetti